Montag, 21. Oktober 2019

Wonderstories: DIE ANDERE SEITE oder HELLSICHTIG




Seit drei Jahren versterben mir die wichtigen Menschen. Zuerst vor gut zwei Jahren meine Liebste, dann in diesem Jahr innerhalb weniger Monate meine Eltern. Der Tod der Eltern besiegelt die Kindheit. Ich bin die Älteste von dreien, zwischen mir und dem Himmel steht jetzt niemand mehr. Auch das eine neue Erfahrung. Ein Gefühl. Endlichkeit ist kein Gefühl, aber lässt einige zu.
Vor zwei Wochen nun begann in unserer Beratungsstelle, wo ich arbeite, eine neue Ärztin. Die Klientinnen sind begeistert und fühlen sich in ihrer Beratung gesehen.
Nach nur wenigen Stunden betrat sie mein Büro, um sich vorzustellen. Mit im Raum saß eine Klientin, die grade aus ihrer Begutachtung gekommen war. Die Ärztin und ich kennen uns gar nicht.
Plötzlich schaut sie mich schräg an. Ich merke, sie überlegt nur kurz, dann fragt sie unverblümt, ob meine Eltern grade verstorben seien.
Ich bejahe das etwas komisch berührt, weil eben eine Klientin mit im Büro sitzt. Diese wiederum lächelt mich freundlich an und sagt nur, das hätte sie auch grade erlebt habe und sie ginge mal kurz raus. Als sie raus war, frage ich, was das soll?
Die Ärztin zögert gar nicht.
„Ich sehe beide hinter ihnen. Besonders ihrer Mutter ist es wichtig, dass sie wissen sollen, sie sollen ALLES, ich betone ALLES LOCKER ANGEHEN im Leben. Ihr Vater steht nur daneben und nickt mit dem Kopf.
Ich lache. „Das sagt die Richtige, aber gut, ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen.“
„Ihre Mutter wirkt sehr ernst. Es wäre ihr nur von dort aus bewußt, dass es sich so verhielte.“
Weiter sagte sie nichts.
„Kann ich noch Fragen stellen?“
„Später, wenn sie alleine sind, können sie es versuchen. Jetzt ist hier niemand mehr.“
Hellsichtigkeit ist mir zwar nicht fremd, aber sie überrascht mich doch immer wieder in der Begegnung und ich erschrecke, was für Tote nicht unbedingt günstig ist, aber so bin ich nun mal.
Ich habe zu einem anderen Zeitpunkt von einem Medium gelernt, dass Tote nur erscheinen, wenn die Person, der sie erscheinen, dafür bereit ist. Bereit war ich zwar, aber nicht vorbereitet.
Es gab einmal eine vollkommen andere Situation vor vierzig Jahren. Ich lebte damals in einer Lesben WG, wir hatten wenig Geld und nahmen es mit den Besitzverhältnissen nicht so genau. Wenn wir Schuhe brauchten, besorgten wir sie uns halt. An diesem Morgen hatten wir ein Paar rote Stiefel organisiert, gefüttert, Winterschuhe eben.
Am selben Abend besuchten wir eine kostenfreie Veranstaltung in der Urania. Ein englisches Medium war eingeladen und es wurde angeboten, dass sie mit Verstorbenen reden könne, wenn die sich zeigten. Meine Freundin mit den roten Schuhen hatte erst vor einer Woche ihren Vater an die Anderwelt verloren.
Wir saßen also im Saal und bemerkten, wie viele Menschen auf ein Ereignis oder eine Botschaft aus waren. Eigentlich wollten wir schon gehen. Da stand die alte Dame auf und rief meine Freundin an:
„Ihr Vater läßt ihnen ausrichten, dass sie das mit den roten Schuhen rückgängig machen sollen. Sie kämen schon zu ihren Schuhen, aber nicht so.“
Wir waren komplett überrascht und vermutlich wurden wir beide bis über die Ohren rot.
Dann schob sie noch freundlich nach: „Er lacht sehr herzlich.“
OK, wir verließen den Abend sofort.
Draußen schütteten wir uns aus vor Lachen.
Am nächsten Morgen brachten wir die Schuhe unter erheblichen Aufwand wieder unbemerkt zurück in den Laden.
Zwei Wochen später gab es die Testamenteröffnung. Schuhe waren kein Problem mehr.
Noch eines habe ich über hellsichtige Menschen gelernt. Sie fordern nie Geld dafür. Das wäre ein Makel innerhalb der Innung. Aber sie dürfen mit Geschenke bedacht werden.
Ach und meiner Klientin war folgendes widerfahren. Sie hatte der Ärztin im Rahmen der Anamnese von ihrem Elternhaus erzählt und plötzlich unterbrach die Ärztin sie: „Verstehen Sie, warum ich die ganze Zeit viele Pflanzen und Gewächshäuser sehe?“
Die Klientin war als Kind neben einer Gärtnerei groß geworden. Tja so geht’s eben auch mit der Hellsichtigkeit. Es werden nicht nur große Fässer aufgemacht.

Noch einen Nachtrag: Als ich am Abend von der Arbeit Nachhause kam, lag ein Newsletter in meinem emailfach: Thema BLEIBE LOCKER und zwar in jeder Lebenslage.

Ich hatte endgültig verstanden und mußte unheimlich lachen. Auch das gehört zur Medialität, der Humor.

2 Kommentare:

  1. was alles gibt, e sgibt so was ... ich habe mal als Breifträgerin eine Polin erlebt sie hatte nur noch ein Bein und lief mit so Holzkrüken unter den Armen umher , als sie auf mich wartete nahm sie eine Krüke weg und wir berührten unsere Fingerspitzen als ich ihre Briefe ihr entgeben gab. Sie schaute so mich an und sagte sie werden mal verheiratet sein nicht so gut wird es sein und 3 Kinder haben! Ich wusste nicht was ich davon hielt Spinnerin oder nicht!Ich misstraute jeden Menschen gerade Männer. Ich war gerade 18 Jahre geworden aber sie hatte recht damit 6 Jahre später erlebte ich alles.Sie war so eine besondere verrückte Persönlichkeit strahlte aber was liebesvolles aus..als ich einige Zeit später wieder an ihre Türe schellte heiss von der Nachbarin sie ist spurlos verschwunden.
    Das lässt mich heute noch nicht los aber im positivem irgendwie sie sang und Freude sich , eine enorme Ausstrahlung von Glück und Liebe

    ""Also bleibe locker lebe dein Leben weiter liebe Ute mit der Natur und Tierwelt und mit all den Menschen die dir begegnen"

    herzlichen Gruss eine von vielen *zwinker*

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